In unserer modernen Gesellschaft wird zunehmend anerkannt, dass Menschen neurologisch und kognitiv auf sehr unterschiedliche Weise funktionieren. Hochsensibilität, die Autismus-Spektrum-Störung (ASS) und das Aufmerksamkeitsdefizit-(Hyperaktivitäts-)Syndrom (AD(H)S) gehören zu den bekannteren neurodivergenten Profilen. Obwohl sie jeweils unterschiedliche neurologische Merkmale und Herausforderungen mit sich bringen, gibt es auch Überschneidungen, vor allem im Bereich der sensorischen Wahrnehmung.

Dieser Blogartikel beleuchtet die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Hochsensibilität, ASS und AD(H)S mit einem besonderen Fokus auf die Art und Weise, wie sensorische Reize erlebt und verarbeitet werden.

Hochsensibilität: Feinfühligkeit gegenüber Reizen

Hochsensibilität (englisch: Highly Sensitive Person, HSP) ist kein klinisches Syndrom, sondern ein Persönlichkeitsmerkmal, das etwa 15-20 % der Menschen betrifft. Hochsensible Menschen haben eine besonders intensive sensorische Wahrnehmung und reagieren stärker auf äußere Reize, wie Geräusche, Licht, Gerüche oder Berührungen. Sie nehmen oft feine Nuancen in ihrer Umwelt wahr, die anderen entgehen, und erleben ihre Umgebung intensiver.

Bei Hochsensiblen kann diese sensorische Feinfühligkeit zu Überstimulation führen, da sie Reize weniger gut filtern können. Lärm, grelles Licht oder sogar zwischenmenschliche Konflikte können überwältigend sein, und sie benötigen daher oft mehr Ruhepausen, um sich zu erholen. Diese erhöhte Reizverarbeitung führt zu einem tiefen emotionalen Erleben, intensiver Reflexion und einem starken Bedürfnis nach Rückzug, um die vielen Eindrücke zu verarbeiten.

Autismus-Spektrum-Störung (ASS): Atypische Wahrnehmung und Verarbeitung

Die Autismus-Spektrum-Störung (ASS) ist eine neurologische Besonderheit, die in erster Linie durch Unterschiede in der sozialen Interaktion, Kommunikation und Verhaltensweisen charakterisiert wird. Ein weiteres zentrales Merkmal von ASS ist die atypische sensorische Wahrnehmung. Menschen im Autismus-Spektrum erleben oft eine Über- oder Unterempfindlichkeit gegenüber sensorischen Reizen, was ihre Wahrnehmung der Umwelt stark beeinflussen kann.

– Überempfindlichkeit (Hypersensitivität): Ähnlich wie bei hochsensiblen Personen kann eine übermäßige Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Reizen auftreten. Laute Geräusche, helle Lichter oder bestimmte Texturen können unangenehm oder sogar schmerzhaft sein.

– Unterempfindlichkeit (Hyposensitivität): Im Gegensatz dazu kann es vorkommen, dass Menschen mit ASS bestimmte Reize weniger intensiv wahrnehmen und daher eine erhöhte Reizsuche betreiben – sie bewegen sich häufiger, suchen intensiven Körperkontakt oder reagieren nicht auf Geräusche, die für andere laut erscheinen.

Ein weiteres Phänomen bei Menschen mit ASS ist die fokussierte Wahrnehmung auf Details. Sie sind häufig in der Lage, extrem feine Details in ihrer Umgebung zu erkennen, übersehen dabei aber manchmal das „große Ganze“. Diese sensorischen Besonderheiten können zu Verhaltensweisen führen, die Außenstehende als ungewöhnlich empfinden, wie das Vermeiden bestimmter Umgebungen oder das Suchen nach sensorischen Stimuli.

AD(H)S: Reizoffenheit und Impulsivität

Das Aufmerksamkeitsdefizit-(Hyperaktivitäts-)Syndrom (AD(H)S) ist eine neurobiologische Besonderheit, die durch Schwierigkeiten bei der Aufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität gekennzeichnet ist. Ein zentraler Aspekt von AD(H)S ist die Reizoffenheit, was bedeutet, dass Menschen mit AD(H)S weniger gut in der Lage sind, unwichtige Reize auszufiltern und sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Sie sind häufig von sensorischen Reizen abgelenkt – Geräusche, Bewegungen oder visuelle Reize ziehen ihre Aufmerksamkeit weg.

In der sensorischen Wahrnehmung kann dies zu einem ständigen Wechsel des Fokus führen. Viele Menschen mit AD(H)S berichten, dass sie Geräusche, Lichtveränderungen oder Bewegungen sofort wahrnehmen und sich schwer damit tun, sich auf nur eine Sache zu konzentrieren. Im Gegensatz dazu gibt es Phasen intensiver Fokussierung (Hyperfokus), in denen sie extrem konzentriert auf eine Tätigkeit sind und alles andere ausblenden.

Sensorische Reize können bei Menschen mit AD(H)S sowohl ablenkend als auch überfordernd sein, insbesondere wenn mehrere Eindrücke gleichzeitig auf sie einströmen. Die oft impulsive Reaktionsweise auf sensorische Stimuli unterscheidet sie von hochsensiblen Personen, die eher Rückzug suchen, und von Menschen mit ASS, die entweder stark ablehnend oder auf der Suche nach sensorischen Reizen sein können.

Gemeinsame Merkmale in der sensorischen Wahrnehmung

Eine wichtige Gemeinsamkeit zwischen Hochsensibilität, ASS und AD(H)S ist die verstärkte oder atypische Wahrnehmung von sensorischen Reizen. In allen drei Fällen besteht eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Umgebungsreizen, die für Betroffene oft anstrengend oder überwältigend sein kann.

– Überstimulation: Menschen mit Hochsensibilität, ASS und AD(H)S erleben oft eine Überflutung durch Sinneseindrücke, wenn zu viele Reize gleichzeitig auf sie einwirken. Dies kann zu Stress, Reizbarkeit oder dem Bedürfnis nach Rückzug führen.

– Reizverarbeitung: Alle drei Gruppen haben Schwierigkeiten, sensorische Reize zu filtern. Hochsensible Menschen und Menschen mit ASS sind oft extrem empfindlich gegenüber bestimmten Reizen, während Menschen mit AD(H)S von einer Vielzahl von Eindrücken abgelenkt werden können.

– Reizschutz: Sowohl hochsensible Personen als auch Menschen mit ASS entwickeln häufig Mechanismen zum Schutz vor Reizüberflutung, wie den Rückzug in ruhigere Umgebungen. Bei AD(H)S äußert sich der Umgang mit Reizen oft durch impulsive Reaktionen oder Hyperfokus-Phasen.

Unterschiede in der sensorischen Verarbeitung

– Fokus auf Details (ASS): Menschen im Autismus-Spektrum neigen dazu, sich stark auf sensorische Details zu konzentrieren. Dies unterscheidet sie von Hochsensiblen und Menschen mit AD(H)S, die oft von der Masse an Reizen überwältigt sind und nicht notwendigerweise einzelne Details stärker wahrnehmen.

– Impulsivität (AD(H)S): Im Gegensatz zu Hochsensibilität und ASS zeigt sich bei AD(H)S oft eine impulsive Reaktion auf Reize. Anstatt Reize zu vermeiden oder detailliert wahrzunehmen, reagieren AD(H)S-Betroffene häufig unreflektiert auf ihre Umgebung.

– Rückzug (Hochsensibilität): Hochsensible Menschen neigen dazu, Reize eher zu vermeiden und sich zurückzuziehen, während Menschen mit ASS entweder Reizüberflutung vermeiden oder gezielt sensorische Stimuli suchen können.

Fazit: Die Vielfalt der sensorischen Wahrnehmung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Hochsensibilität, ASS und AD(H)S sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede in der Art und Weise aufweisen, wie sensorische Reize wahrgenommen und verarbeitet werden. Alle drei neurologischen Profile beinhalten eine gesteigerte Reizoffenheit und oft auch Überstimulation, aber die Art der Reizverarbeitung ist individuell verschieden. Während Hochsensible eher Rückzug und emotionale Verarbeitung suchen, erleben Menschen mit ASS eine größere Bandbreite an sensorischer Über- oder Unterempfindlichkeit. Menschen mit AD(H)S wiederum sind häufig impulsiver in ihrer Reaktion auf Reize und haben Schwierigkeiten, diese effektiv zu filtern.